Nutzung und Aneignung öffentlicher Räume
Pamphlet #8, nach dem debatten_gelage am 28.4.2003
Gast: Professor Dr. Claus-Christian Wiegandt, Universität München
 

 

+++ Planbarkeit der Nutzung  +++ der Stellenwert des Gebauten +++ Gestaltung der Bedürfnisse der Städter +++ reizvolles Zusammenspiel der Nutzungen +++ Ereignisse laden in den öffentlichen Raum ein +++ sozialisiert zum Flaneur? +++

 

Suppe

Nach einer echten und wirklich guten Suppe (mit Brühe und Stückchen) waren wir schon wieder mitten drin in unserem Bild des öffentlichen Raums - der Suppe: Mit der Brühe, die sich nach wie vor nicht so klar definieren lässt und der Schüssel als Sinnbild für die gebaute Stadt. (So besteht auch, wie bemerkt wurde, ein Unterschied, ob die  Suppe aus einer Fast Food Schüssel oder aus einer Villeroy & Boch Schüssel gegessen wird) Auf der Suche nach der Brühe stand die Frage der Nutzung des öffentlichen Raums im Vordergrund, d.h. wie Nutzung zustande kommt. Kann man sie beeinflussen und wenn ja wie? Wird für bestimmte soziale Gruppen geplant? Oder ist die Nutzung des öffentlichen Raumes fast ausschließlich eine Frage der Gestaltung?

Grundsätzlich ist die Nutzung stark abhängig von den Menschen, die diese nutzen. Oft werden Orte ganz anders genutzt, als es sich Planer, Architekten und Bauherren träumen ließen. Was bedeutet das nun für die Planung? Wird sie obsolet? Soweit sollte man wohl nicht gehen, sicher ist aber, dass Planer und Architekten auch nicht perfekt sind: Sie planen bisweilen an den Bedürfnissen der Menschen vorbei. Sowohl aus planerischer, als auch aus Sicht der Bevölkerung sollte man über die Ansprüche an den öffentlichen Raum nachdenken. Letztendlich entscheiden die Menschen, ob und wie sie öffentliche Räume annehmen.

Ein Patentrezept für die „gute“ Gestaltung gibt es nicht. Man kann natürlich versuchen, mit bestimmten Materialien und Formen Einfluss auf die Nutzung von öffentlichen Räumen zu nehmen, aber das alleine wird nicht ausreichen, um einen Ort attraktiv zu machen (edle Materialien, Bänke auf die man sich (nicht) legen kann ...) Katja vertritt die Meinung, dass das Zusammen­spiel von Funktionen den „Reiz“ des öffentlichen Raums ausmacht und dass „Funktionen“ auch im Stande sind, eine Art Wohlfühl­atmosphäre herzustellen.

Oft sind auch Ereignisse Grund für den Aufenthalt im öffentlichen Raum. Dabei steht dann das Ereignis im Vordergrund, bauliche Gestaltung und andere Funktionen treten für die Nutzung in den Hintergrund.

 

Flanieren und nicht passieren

Sehen und gesehen werden, sich inszenieren, zur Schau stellen – auch das sind zentrale Funktionen des öffentlichen Raums. Auch dabei spielt die bauliche Gestaltung eine untergeordnete Rolle. Wichtiger sind dann die Menschen/die Gesellschaft, von denen man gesehen werden will oder zu denen man eine klare Abgrenzung sucht.

 

Sozialisierung

Über die immer noch im Raum stehende These, dass die „reichen Viertel“ in Bezug auf die Nutzungen im öffentlichen Raum ein Defizit aufweisen (vgl. Pamphlet No.2), entwickelte sich die Frage, ob und inwieweit die Sozialisierung der Personen Einfluss auf die Nutzungen/ das Interesse im/am öffentlichen Raum hat.

Zum einen wurde die These vertreten, dass der kindliche Lernprozeß und die Erziehung eine prägende Wirkung auf das individuelle Verhalten im öffentlichen Raum hat. Zum anderen wurden wieder die unterschiedlichen Mentalitäten der Menschen ins Feld geführt. Ulrike S. ist keine brennende Verfechterin dieser Betrachtungsweise. In Bezug auf die Nutzung des öffentlichen Raums in wohlhabenden Vierteln bzw. in Deutschland im Vergleich zu südlicheren Ländern wie Italien, die oft als Idealbild herangezogen werden, scheinen ihrer Meinung nach andere Faktoren eine wichtigere Rolle zu spielen. Da ist zum einen eine dichtere Bebauung zu bedenken, wenn Menschen nicht die Möglichkeit haben, sich in ihren eigenen Garten zurück zu ziehen und zum anderen gibt es nicht so zahlreiche Ausweichmöglichkeiten in öffentlichen Räumen. Die Wohnungen sind oftmals kleiner und der Drang, sich aus dem Weg zu gehen, ist  daher größer – so bietet der nutzbare öffentliche Raum eine gute Möglichkeit, sich mit Bekannten zu treffen.

 

Lob & Tadel

Lob und Tadel ist die neue Feedbackrunde am Ende eines jeden debatten_gelages. Dadurch können wir die Diskussion noch mal kurz reflektieren und überprüfen, ob wir die uns gesteckten Ziele annähernd erreicht haben. Solche Runden sind ja sicherlich allgemein bekannt, aber noch mal kurz die Spielregeln:

- eigene Meinung kurz äußern, wenn möglich Lob und Tadel (ein Satz!)
- inhaltliche und organisatorische Anmerkungen
- keine Diskussion zu den einzelnen Statements
- Sitzungsleitung/Rolle des Moderators

Zur letzten Sitzung:

Lob
- Diskussion wird ernsthafter (Niveausteigerung)
- offene, freie und abstrakte debatte am Montag abend

Tadel
- zu häufige Ein – Mann - Empirie
- Gäste zukünftig noch mehr fordern, ihr Expertenwissen besser nutzen
- Immer noch zuviel Beschäftigung mit dem Definieren
- Praxisorientierter arbeiten / diskutieren, sich einen Ort in München herausnehmen und bearbeiten

Vorschlag: gemeinsame Exkursionen zu unterschiedlichen Orten in München, um über Projekte zu debattieren, die allen auch bekannt sind.

Ulrike Schröppel und Stefan Zöller