Thesen zur Privatisierung öffentlicher Räume
Pamphlet #9, nach dem debatten_gelage am 12.5.2003
 

 

+++ Demokratiedefizit privatisierter öffentlicher Räume +++ vom Flaneur zum Konsumeur +++ Shopping als letzte Form öffentlicher Betätigung +++ öffentlicher Raum als Ware +++

 

„Die dem Allgemeingebrauch gewidmeten, offen zugänglichen und in diesem Sinne öffentlichen Räumen der Stadt – Straßen, Plätze und Parkanlagen – sind schon seit langem nicht mehr das, was sie einmal waren oder sein sollten, nämlich Räume einer Stadtgesellschaft, die ihre eigene Öffentlichkeit wie ihre eigene Individualität braucht, schafft und garantiert.“ (Bruno Flierl[1] 2002)

 

Profit statt Res Publica
oder
:
funktionsärmer, unsozialer, begegnungsärmer, unspontaner

Privatisierung von öffentlichen Räumen bedeutet eine Funktionsreduzierung auf in erster Linie „Sich versorgen“, Profit abwerfendes Konsumieren. Der private Eigentümer hat in der Regel nur ein Ziel: Ökonomisierung, Kommerzialisierung – ihn interessiert der Profit, weniger gesamtgesellschaftliche Funktionen wie beispielsweise die soziale Funktion des ÖR oder auch eine kulturelle Funktion, sofern sie ihm keinen Gewinn bringt. Privatisierte ÖR werden somit funktionsärmer, unsozialer, unmenschlicher, begegnungsärmer, unspontaner. Obdachlose werden vom privaten Polizeischutz entfernt, Flugblätter dürfen nicht verteilt werden, Demonstrationen sind untersagt usw. Insofern kann auch von einem Demokratiedefizit der privatisierten öffentlichen Räume gesprochen werden.

 

Einst Flaneur, heute Konsumeur
Öffentliche Räume werden zunehmend kommerzialisiert.

Rem Koolhaas zeigte in seiner Ausstellung Mutations im Entrepôt Lainé in Bordeaux anhand von Fotoserien wie „Altstädte sozial entkernt und zu Shopping-Malls im Kostüm authentischer Stadtatmosphäre degenerieren“[2]. Shopping als letzte Form öffentlicher Betätigung. Die scheinbar ziellose und spontane Bewegung des Mall-Flaneurs wird in Wirklichkeit gesteuert durch die bewusste Ansiedlung von Anziehungspunkten auf seinem Weg. Er ist nicht mehr eigenständiger Flaneur, er ist gesteuerter Konsumeur.

 

Private Eigentümer organisieren den öffentlichen Raum besser als die Stadt

Besser inwiefern? Im Sinn von attraktiver,...? Privatisierter ÖR wie im PEP (Perlacher Einkaufspassage) ist attraktiver aufbereitet und saugt so Kaufkraft und Publikum aus städtisch verwalteten ÖR ab, Stadt-Räume verwaisen...

Pseudo-ÖR

Privatisierte ÖR verkommen zu Pseudo-ÖR. Sie repräsentieren keinen Gesellschaftsquerschnitt mehr. Das Publikum in den Fünf Höfen ist „exklusiver“, Obdachlose werden ausgeschlossen, sozial Schwache durch das hohe Preisniveau der Geschäfte und Gastronomie nicht angesprochen. Es entsteht eine Glitzer-Einkaufswelt, die steril und ein wenig leblos erscheinen mag, künstlich und geplant. Öffentlichkeit wird nur vorgegaukelt.

 

Vom Öffentlichen Raum zur Ware

An die Stelle gesellschaftlicher Interessen treten marktwirtschaftliche Interessen privater Eigentümer, die Leben und Raum der Stadt bestimmen und Öffentlichkeit im Sinn von Gesellschaftlichkeit aushöhlen. Private vermarkten Raum, inszenieren Raum (z.B. über Events), Raum wird zur Ware (Bsp. Potsdamer Platz).

Vera Neuhäuser  


[1] Bruno Flierl: Privatisierung und Vermarktung. In: Klaus Selle (Hrsg.): Was ist los mit den öffentlichen Räumen? Analysen, Positionen, Konzepte. Aachen u.a., 2002, S. 282/283

[2] Niklas Maak : Res Publica im 3. Jahrtausend. In: a.a.O., S. 281/282