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Demokratiedefizit privatisierter öffentlicher Räume +++
vom Flaneur zum Konsumeur +++ Shopping als letzte Form öffentlicher
Betätigung +++ öffentlicher Raum als Ware +++
„Die
dem Allgemeingebrauch gewidmeten, offen zugänglichen und
in diesem Sinne öffentlichen Räumen der Stadt – Straßen,
Plätze und Parkanlagen – sind schon seit langem nicht
mehr das, was sie einmal waren oder sein sollten, nämlich
Räume einer Stadtgesellschaft, die ihre eigene Öffentlichkeit
wie ihre eigene Individualität braucht, schafft und
garantiert.“ (Bruno Flierl[1]
2002)
Profit
statt Res Publica
oder:
funktionsärmer,
unsozialer, begegnungsärmer, unspontaner
Privatisierung
von öffentlichen Räumen bedeutet eine
Funktionsreduzierung auf in erster Linie „Sich
versorgen“, Profit abwerfendes Konsumieren. Der private
Eigentümer hat in der Regel nur ein Ziel: Ökonomisierung,
Kommerzialisierung – ihn interessiert der Profit,
weniger gesamtgesellschaftliche Funktionen wie
beispielsweise die soziale Funktion des ÖR oder auch eine
kulturelle Funktion, sofern sie ihm keinen Gewinn bringt.
Privatisierte ÖR werden somit funktionsärmer,
unsozialer, unmenschlicher, begegnungsärmer, unspontaner.
Obdachlose werden vom privaten Polizeischutz entfernt,
Flugblätter dürfen nicht verteilt werden,
Demonstrationen sind untersagt usw. Insofern kann auch von
einem Demokratiedefizit der privatisierten öffentlichen Räume
gesprochen werden.
Einst
Flaneur, heute Konsumeur
Öffentliche
Räume werden zunehmend kommerzialisiert.
Rem
Koolhaas zeigte in seiner Ausstellung Mutations im Entrepôt
Lainé in Bordeaux anhand von Fotoserien wie „Altstädte
sozial entkernt und zu Shopping-Malls im Kostüm
authentischer Stadtatmosphäre degenerieren“[2].
Shopping als letzte Form öffentlicher Betätigung. Die
scheinbar ziellose und spontane Bewegung des Mall-Flaneurs
wird in Wirklichkeit gesteuert durch die bewusste
Ansiedlung von Anziehungspunkten auf seinem Weg. Er ist
nicht mehr eigenständiger Flaneur, er ist gesteuerter
Konsumeur.
Private
Eigentümer organisieren den öffentlichen Raum besser als
die Stadt
Besser
inwiefern? Im Sinn von attraktiver,...? Privatisierter ÖR
wie im PEP (Perlacher Einkaufspassage) ist attraktiver
aufbereitet und saugt so Kaufkraft und Publikum aus städtisch
verwalteten ÖR ab, Stadt-Räume verwaisen...
Pseudo-ÖR
Privatisierte
ÖR verkommen zu Pseudo-ÖR. Sie repräsentieren keinen
Gesellschaftsquerschnitt mehr. Das Publikum in den Fünf Höfen
ist „exklusiver“, Obdachlose werden ausgeschlossen,
sozial Schwache durch das hohe Preisniveau der Geschäfte
und Gastronomie nicht angesprochen. Es entsteht eine
Glitzer-Einkaufswelt, die steril und ein wenig leblos
erscheinen mag, künstlich und geplant. Öffentlichkeit
wird nur vorgegaukelt.
Vom
Öffentlichen Raum zur Ware
An
die Stelle gesellschaftlicher Interessen treten
marktwirtschaftliche Interessen privater Eigentümer, die
Leben und Raum der Stadt bestimmen und Öffentlichkeit im
Sinn von Gesellschaftlichkeit aushöhlen. Private
vermarkten Raum, inszenieren Raum (z.B. über Events),
Raum wird zur Ware (Bsp. Potsdamer Platz).
Vera
Neuhäuser
[1]
Bruno Flierl: Privatisierung und Vermarktung. In:
Klaus Selle (Hrsg.): Was ist los mit den öffentlichen
Räumen? Analysen, Positionen, Konzepte. Aachen u.a.,
2002, S. 282/283
[2]
Niklas Maak : Res Publica im 3. Jahrtausend. In:
a.a.O., S. 281/282